Fastengedanken

Die Kundenfrequenz stimmt an diesem Ort, die Geschäfte laufen gut. Warum sollte man hier nicht auch ein Geschäft eröffnen? Die Leute gingen im Tempel aus und ein, sie brauchten die Händler sogar, denn sie kauften dort ihre Opfertiere und nachdem im Tempel eine eigene Währung galt, brauchte es auch die Geldwechsler. So schön kann man sich alles einrichten und mit den besten Überlegungen argumentieren, dass man sich dabei nicht einmal ein schlechtes Gewissen machen muss.

Selten erleben wir Jesus so emotional im Evangelium als zu der Zeit, als er die Händler aus dem Tempel glühend vor Zorn verjagte, ihre Tische umwarf und das Geld laut klimpernd auf den Boden schüttete.

Was Gottes Bereich ist, dort gibt es keine Kompromisse. Gott ist die Wahrheit. Wenn wir dieser Wahrheit ins Gesicht schauen, erkennen wir womöglich, dass sich in unserem Heiligtum, in unser religiöses Leben, Händler eingenistet haben - sicherlich unter sehr vernünftigen Gründen. Sie halten die Menschen ab, sich mich dem zu beschäftigen, was das Leben ausmacht, sie halten uns ab, auf Gott hin ausgerichtet zu leben, machen sich immer breiter und immer unverzichtbarer. Der Beruf, der einen so fordert, dass man nicht zum Beten und zum Reden und Spielen mit der Familie kommt; die Zeitknappheit, die für den Messbesuch und für Unternehmungen mit Freunden nicht auch noch Platz lässt; die Eile rechtzeitig zu einem vereinbarten Termin zu kommen, die uns am Nachbarn, den schon monatelang niemand besucht hat, vorbeigehen lässt. Jetzt ist die Zeit der Gnade, jetzt ist die Zeit, die Händler aus unserem Heiligtum zu vertreiben, damit dort Gott herrscht und unser Leben zum Guten lenkt.

Euer Landesverbandsseelsorger

Valerius

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